Es liegt nicht an dir
Heute hat dieser Satz ausnahmsweise mal nichts mit dem Ende einer Beziehung zu tun.
Naja, vielleicht doch ein bisschen.
Vielleicht ist er das Ende der merkwürdigen Beziehung, die wir mit uns selbst führen.
Wir leben in einer Zeit, in der man ständig hört, man müsse sich nur genug anstrengen – dann sei alles möglich.
Selbstliebe, perfekte Haut, grenzenloses Selbstbewusstsein.
Wir sollen schöner werden – aber bitte so, dass es natürlich aussieht.
Wir sollen zufrieden mit uns sein – aber uns trotzdem verbessern.
Wir sollen entspannt sein – aber produktiv.
Es sind widersprüchliche Ansprüche, die sich anfühlen wie ein Netz, aus dem man nicht mehr herauskommt.
Und wenn es nicht gelingt, macht man sich Vorwürfe.
Weil uns überall erzählt wird:
Es liegt nur an dir.
Du musst einfach mehr tun.
Du musst positiver denken.
Du musst dich mehr lieben.
Aber vielleicht stimmt das nicht.
Vielleicht liegt es nicht an dir.
Vielleicht liegt es daran, dass wir in Systemen leben, die davon profitieren, wenn wir uns ständig ungenügend fühlen.
Systeme, die Schönheitsideale immer enger definieren, damit wir immer neue Produkte brauchen.
Systeme, die Likes und Vergleiche zur Währung gemacht haben, die darüber entscheiden, wie wertvoll wir uns fühlen.
Systeme, die uns beibringen, dass unser Körper immer ein Projekt ist, nie ein Zuhause.
Und weil diese Systeme so groß sind, fühlt es sich oft an, als wäre das alles normal.
Als sei es eben unser persönliches Versagen, wenn wir nicht jeden Morgen aufstehen und denken:
„Ich bin gut, so wie ich bin.“
Aber es ist kein persönliches Versagen.
Es ist kein individuelles Problem.
Es ist ein kollektiver Druck.
Ein permanentes Hintergrundrauschen, das sagt:
„Du musst noch mehr aus dir machen.“
Es liegt nicht an dir.
Es liegt an den Erwartungen, die nie satt werden.
Es liegt an einem System, das uns immer wieder glauben lässt, wir müssten mehr sein, um genug zu sein.
Es liegt nicht an dir.
Es hat nie an dir gelegen.
Und vielleicht ist diese Erkenntnis schon der Anfang.
Der Anfang vom Ende dieser merkwürdigen Beziehung, die wir mit uns selbst führen.